Hausmagazin

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Darf man das?

Dr. Jonas Kallenbach, Kantonale Denkmalpflege Aargau

2017

Denkmäler sind keine statischen Objekte. Ihre Bedeutung als Orte des Wohlfühlens erhalten sie erst mit dem Einbezug ihrer unmittelbaren Umgebung – und diese verändert sich ständig. Diesem Umstand wird in den nationalen und kantonalen Regeln zum Denkmalschutz auf vielfältige Weise Rechnung getragen. Die Konsequenz einer solchen, das Denkmal erweiternden Betrachtungsweise: Auch Denkmäler darf man verändern.

Innerhalb unserer Gebäudelandschaft präsentieren sich Denkmäler in vielfältiger Weise. Es können dies Bauten oder Bautengruppen und Freiraumanlagen wie Gärten und Pärke sein. Zusammen mit ihrer Umgebung schaffen diese Objekte Räume, in denen Menschen sich wohlfühlen. Kulturobjekte stehen in besonderer Wechselbeziehung mit ihrer Umgebung, mit ihren vielgestaltigen Nachbarn und können nicht isoliert von ihrem Kontext betrachtet werden. Im Gegensatz zum Denkmal selbst, das sich als relativ statisches Element im Laufes einer Geschichte nur langsam verändert, unterliegt die Umgebung einemgrösseren Veränderungsdruck. Dies ist gerade in der heutigen schnell lebigen Zeit zu berücksichtigen, in welcher Fragestellungen der Verdichtung und der qualitätsvollen Siedlungsentwicklung nach innen thematisiert werden. Der Bedeutung der Wechselwirkung zwischen Denkmal und Umgebung wird in den massgebenden nationalen und kantonalen Regelwerken zum Schutz von Denkmälern Rechnung getragen.

•   Auf Bundesebene stellt das Inventar der schützenswerten Ortsbilder der Schweiz (ISOS) das wichtigste Instrument zum Schutz der Umgebung dar. Hierbei werden explizit «Umgebungszonen» und «Umgebungsrichtungen» ausgeschieden, die in räumlicher Beziehung zu den schützenswerten Einzelobjekten und Bautengruppen stehen.

•   Der Frage nach dem richtigen Umgang mit dem historischen Kontext bei Bauprojekten hat sich auf nationaler Ebene auch die Eidgenössische Kommission für Denkmalpflege mit einem Grundsatzpapier zum «Schutz der Umgebung von Denkmälern» gewidmet. In diesem Grundlagentext wird darauf hingewiesen, dass ein Denkmal auf verschiedenen Beziehungsebenen zu seinem räumlichen Kontext in Beziehung tritt und dass die Umgebung eines Denkmals wesentlicher Bestandteil des eigentlichen Denkmalwerts ist.

•   Gestützt auf    die   Kantonsverfassung und    die    aktuelle Baugesetzgebung sorgt der Kanton Aargau für die Erhaltung seiner Kulturgüter und schützt insbesondere seine erhaltenswerten Ortsbilder, historischen Stätten und Baudenkmäler. In diesem Zusammenhang treffen nicht nur der Kanton, sondern auch die Gemeinden im Rahmenihrer Planungsmöglichkeiten Massnahmen zur Erhaltung und Pflege von Objektendes Natur- und Heimatschutzes, von Ortsbildern sowie von Kulturdenkmälern.

•   Um die Wirkung herausragender Bauten möglichst ungeschmälert zu erhalten, kennen die meisten Denkmalschutzgesetze– so auch das Aargauer Kulturgesetz aus dem Jahr 2009 – neben dem eigentlichen Objektschutz auch den so genannten Umgebungsschutz. Dieser soll gewährleisten, dass die Wirkung eines geschützten Baudenkmals erhalten bleibt.

Im Vollzug der genannten rechtlichen Grundlagen soll das Zusammenwirken von Denkmal und Umgebung erhalten oder gar verbessert werden. Veränderungen des umliegenden Kontexts sollen die authentische Wirkung des Denkmals erhalten, was gemäss neueren Studien nicht nur einen ästhetischen, sondern auch einen ökonomischen Mehrwert schafft.

Auch Schutzobjekte darf man verändern

Die wesentliche Umgebung eines Denkmals umfasst meist die angrenzenden Gebäude, den umliegenden Strassenraum und Freiraumflächen wie Plätze und Gartenanlagen. Im Interesse einer möglichst grossen Planungssicherheit ist die Umgebung von schützenswerten Kulturobjekten deshalbfrühzeitig einer detaillierten Analyse zu unterziehen. Indem die wichtigsten Schutzziele Eingang in die kantonale und kommunale Nutzungsplanung finden, wird Rechtssicherheit für Planer, Eigentümer und Behörden geschaffen. Das Fehlen solcher Bestimmungen erschwert die Umsetzung des Umgebungsschutzes und kann dazu führen, dass die kantonalen und kommunalen (Schutz-)Interessen zu spät in den Planungsprozess einbezogen werden. Dies gilt es zu verhindern. Denn im Gegensatz zur landläufigen Meinung, dass Schutzobjekte und deren Umgebung nicht angetastet werden dürfen, sind Veränderungen im Wirkungskontext eines Denkmals durchaus möglich.

Zu jeder Zeit wurden Siedlungsstrukturen entwickelt, wurden Gebäude durch Neubauten ersetzt und wurden Freiräume geschaffen oder verändert. Aus denkmalpflegerischer Sicht stellt sich hier in den meisten Fällen nicht die Frage, ob eine Veränderung denkbar ist, sondern wie deren Ausgestaltungaussehen kann. Dieser Aspekt ist schon lange Bestandteil europäischer Baupraxis. Schon 1913 wies der österreichische Architekt Adolf Loos darauf hin, dass «Veränderungen der alten Bauweise» erfolgen können. Dies aber nur, wenn sie eine «Verbesserung der Gesamtsituation» bedeuten.

Räume zum Wohlfühlen

Vor dem Hintergrund der Geschwindigkeit baulicher Veränderungen bedarf es der Auseinandersetzung mit der Wechselwirkung zwischen Kulturobjekt und Umgebung. Die wichtigen Elemente im Umfeld von Denkmälern sind zu erkennen und im konstruktiven Planungsprozess zu berücksichtigen. Dies führt zu positiven Effekten auf verschiedenen Ebenen – sowohl für den Eigentümer im Sinne einer Wertsteigerung seines Objekts und der Rechts- und Planungssicherheit wie auch für die Öffentlichkeit in Form einer hohen Siedlungs- und Aufenthaltsqualität.

Zusammenfassend bedürfen Denkmäler eines authentischen, historisch gewachsenen Kontexts. Sie bedürfen gebauter Heimat, die gezielt, qualitätsvoll und dem Schutzobjekt angemessen erhalten und weiterentwickelt wird. Auf diese Weise werden für die aktuelle und für die kommenden Generationen Räume zum Wohlfühlen geschaffen.

 

Ein Beitrag zur Erhaltung unseres Lebensraumes

Die Schweiz ist zwar von Verwüstungen zweier Weltkriege verschont geblieben, doch die Zerstörung der Ortsbilder und Landschaftsräume hat dennoch eingesetzt – nicht auf einen Schlag, aber schleichend. Diese Entwicklung zu stoppen oder mindestens spürbar zu bremsen, ist der Grundgedanke, der dem Inventar der schützenswerten Ortsbilder der Schweiz(ISOS) zugrunde liegt.

Dabei gehe es nicht darum, die alten Bauten, Quartiere oder gar Stadtteile unter eine Glasglocke zu stellen, sondern sie mit präzisen Eingriffen als heutige Lebensräume zu nutzen und aus der Verbindung von Alt und Neu einen Mehrwert zu schaffen. Ein gelungenes Beispiel dafür ist der Umbau desstattlichen Landgasthofes «Zum Bauernhof» in Oberlunkhofen – gemäss ISOS ein schützenswerter Ort von regionaler Bedeutung, der stark von diesem Restaurantgeprägt ist.

Als eine Renovation des 1846 errichtet Gebäudes anstand, wäre es für die Eigentümerfamilie wohl das einfachste gewesen, das Restaurantaufzugeben und eine Umnutzung in Wohnungen zu realisieren. Doch sie hat sich für den Erhalt der Traditionsbeiz entschieden und es mit zusätzlichen Lokalitäten und Gästezimmern ausgebaut. Damit verbunden waren teure Auflagen, weil das Gebäude unter Substanz- und Ortsbildschutz steht. Denn es ist, gemäss Inventarisierung, «ein vollständig intaktes repräsentatives bäuerliches Wohnhaus in der für den späten Klassizismus charakteristischen, nüchtern-schlichten Gestalt, die von streng axial organisierten Fassaden und markanten Quergiebelelementen geprägt wird. Teile des Biedermeier-Interieurs sind erhalten».

Das Inventar berücksichtigt aber nicht «nur» die architekturgeschichtlich wertvollsten Häuser. Es analysiert vielmehr ganze Ortskerne und Quartiere, stellt sie in ihren räumlichen Zusammenhang und bewertet sie in Bezug auf das ganze Siedlungsgefüge. Dazu gehören auch Fabrikorte, an denen man die Entwicklung der industrialisierten Regionen im 19.und 20. Jahrhundert ablesen kann. Oder auch grossflächige Kulturlandschaften, in denen die Bauten – kleine Hofgruppen, Ställe und Scheunen – vom Talboden oder den Hängen nicht zu trennen sind. Im Kanton Aargau sind 61 Ortsbilder von nationaler Bedeutung: Mehr Kleinstädte als anderswo und zwischen ehemaligen Bauerndörfern erstaunlich interessante Objekte aus der Zeit der frühen Industrialisierung.

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