Hausmagazin
Von den Leiden und Freuden ein 170-jähriges Wohn- und Wirtshaus zu renovieren
Hans Hagenbuch-Spillmann, Oberlunkhofen
2019
Frustration nach der x-ten ergebnislosen Besprechung mit kantonalen Fachstellen, schlaflose Nächte wegen der Finanzierung, generationenübergreifende Diskussionen mit der Familie, aber auch eine wunderbare Zeit mit vielen kreativen Ideen und spannender Suche nach Lösungen. Wer eine über 170 Jahre alte Liegenschaft renoviert und einer neuen Nutzung zugeführt hat, kann Einiges erzählen – wie Hans Hagenbuch-Spillmann aus Oberlunkhofen.
Am Anfang war eigentlich alles klar. Zu Beginn meiner Berufslaufbahn konnte ich mir vieles vorstellen und etwas sicher nicht: eine Gastwirtschaft zu führen. Einige Jahre später, bei der Übernahme deselterlichen Landwirtschaftsbetriebes gehörte das renovationsbedürftige, alte Bauernhaus mit Restaurant auch dazu, obwohl schon damals klar war, dass dies eine grosse Last für den Landwirtschaftsbetrieb und die Familie sein wird.
Als bei einer ordentlichen Zonenplanrevision das Gebäudezusammen mit anderen Bauten im Dorf unter Substanzschutz gestellt werden sollte, hat der Gemeinderat – dem ich als Gemeindeamman angehörte – nachausführlichen Gesprächen und Vereinbarungen mit den kantonalen Stellen der Unterschutzstellung dieser alten Gebäude im Dorf einstimmig und mit gutem Gewissen zugestimmt. Ein Grundgedanke der Unterschutzstellung war, die Amtsstellen zu Beginn der Projektentwicklung einzubeziehen, damit die berechtigten Interessen der Öffentlichkeit berücksichtigt werden.
Leere Versprechen des Kantons
Leider haben sich die damaligen Abmachungen und Versprechungen von Kantonsseite bis zu Beginn der Planungsphase für die Renovation in Luft aufgelöst. Obwohl eigentlich allen für eine Baubewilligung zuständigen kantonalen Stellen klar war, dass ohne Kompromisse und verhältnismässige Auflagen keine Lösung resultieren würde, endeten die Besprechungen vorerst ergebnislos und für die Bauherrschaft frustrierend. Eine Fachstelle wollte den geschützten Bauerngarten in Parkplätze umwandeln und die andere wollte diesen unter keinen Umständen verändern und schlug eine unterirdische Parkierung mit Einfahrt durch den bestehenden Gewölbekeller vor, um nur zwei Beispiele des Niveaus der Lösungsfindung aufzuzeigen.
Ziel des Projektes war es, das alte Gebäude einer zeitgemässen Nutzung zuzuführen. Das Haus sollte nach dem Umbau einen langfristigen Mehrwert aufweisen. Die Aufgabe der langjährigen Doppelnutzung als Wohn- und Arbeitsort hin zu reinem Wohnraum wäre aus finanzieller Sichtsicher mit dem kleineren Risiko behaftet gewesen. Auch wäre die Bewirtschaftung viel einfacher und mit bedeutend weniger Arbeit verbunden gewesen. Als weitere Nutzungsmöglichkeit schwirrte ein Bed & Breakfast ohne Gastronomie in unseren Köpfen herum.
Schaffen von Arbeitsplätzen im Dorf
Nach langen und intensiven, generationenübergreifenden Diskussionen in der Familie haben wir uns für die Fortführung der Doppelnutzung– Gastwirtschaft mit 8 Hotelzimmern und einer Betriebsleiterwohnung –entschieden. Dadurch können in bescheidenem Umfang Arbeitsplätze im Dorfgeschaffen und langfristig erhalten werden. Das finanzielle Risiko wird von der ganzen Familie getragen und die nachfolgende Generation ist gewillt, das Gasthaus zu führen.
Eine Finanzierung dieses 4-Millionen-Projektes konnte allerdings nie und nimmer durch den Landwirtschaftsbetrieb erfolgen. Wir waren aber in der glücklichen Lage, Baulandreserven aus voriger Generation zu besitzen und konnten deswegen das Bauvorhaben umsetzen. Es war auch im Vorhinein klar, dass das Abschreiben der gesamten Investitionskosten mit dem Restaurations-und Hotelbetrieb sehr schwierig, wenn nicht unmöglich sein würde.
In Verhandlungen mit Beamten spürte ich trotzdem wenig Respekt und Achtung vor dem Entscheid, als Privatperson so viel Geld in ein Projekt zu investieren, bei welchem zudem vieles von anderen (mit-) bestimmt wird und das Risiko trotzdem nur auf den Schultern des Eigentümers lastet.
Nach langen Diskussionen kam unter der positiven Mitwirkung der kantonalen Denkmalpflege eine für alle Seiten akzeptable Baubewilligung zustande. Der Um- und Anbau, welcher von April 2015 bis Juli 2016 dauerte, gelang auch dank dem in Altbauten äusserst erfahrenen Architekturbüro Schaufelbühl aus Bremgarten. Ebenso konnten wir auf die Arbeit und das Mitdenken von fachlich sehr kompetenten Handwerkern setzen, die sich mit Leib und Seele für dieses nicht alltägliche Bauprojekt einsetzten.
Auch die Vorfahren hätten Freude
Diese Phase des Projektes war hochinteressant und sehr fordernd zugleich. Täglich auf der Baustelle nach möglichen Lösungen suchen und Entscheide fällen – eine wunderbare Zeit. Oder man könnte es auch so ausdrücken: «Nein sagen zu den vielen gut gemeinten Vorschlägen kostet Energie und ja sagen kostet Geld». Zusammen mit meiner Frau und den Kindern an einem Projekt zu arbeiten, von dem man glaubt, dass sowohl die Vorfahren wie auch die Nachkommen Freude gehabt hätten, bzw. haben werden, ist sehr befriedigend. Das Hin und Her zwischen den Vorschlägen der Fachleute und den eigenen Ideen ist spannend. Im Nachhinein muss ich festhalten, dass sich bei gestalterischen Fragen zum Glück mehrheitlich die Baufachleute und meine Frau durchgesetzt haben.
Das Haus wurde 1846, also kurz nach der Klosteraufhebung im Aargau, erbaut. Auch deshalb war die Bausubstanz eher knapp dimensioniert und der Ausbaustandard im Vergleich zu ähnlichen, etwas älteren Häusern in der Region bescheiden. Die vor der Klosteraufhebung mögliche «Unterstützung» gab es nicht mehr. Umso erfreulicher war der Umstand, dass während der Bauzeit keine grossen Überraschungen betreffend Bausubstanz zu Tage getreten sind. Mauerwerk und die tragende Holzkonstruktion waren einwandfrei und konnten im Originalzustand belassen werden. Einzig der Riegelbau des 1925 neu erstellten Hauseinganges mit Aufbau auf der Südwestseite musste stellenweise ersetzt werden. Dieser Eingang wurde gleichzeitig mit der damals neu gebauten Kantonsstrasse realisiert.
Ständige Gratwanderung
Beim Innenausbau musste stetig zwischen zwei grundsätzlichen Anspruchsgruppen abgewogen werden. Auf der einen Seite war der Anspruch einer möglichst guten Ausnutzung des Gebäudes sowie dem Erreichen von möglichst effizienten Betriebsabläufen. Auf der anderen Seite waren die Ansprüche und Auflagen der Bewilligungsbehörde, welche den Charakter des Gebäudes unvermindert erhalten wollte und auch für den Neubauannex Gestaltungswünsche einbrachte. In weiten Teilen ist uns diese Gratwanderung gut gelungen. Leider muss die Akustik in einzelnen Räumen (z.B. Gewölbekeller) für die vorgesehene Nutzung nachträglich verbessert werden.
Die vielen positiven Rückmeldungen aus der Bevölkerung von Oberlunkhofen und Umgebung sowie von den Hotelgästen aus dem In- und Auslandfreuen uns sehr und zeigen, dass sich unser Mut und die Risikobereitschaft ausbezahlt haben und das tägliche Schaffen meiner Frau und der nächsten Generation breit geschätzt wird. Es freut uns, dass es uns nicht nur gelungen ist ein gesellschaftliches Zentrum und einen positiven Blickfang am Dorfeingang, sondern auch einige Arbeitsplätze im Dorf zu erschaffen.