Hausmagazin

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Gesellschaftliche Veränderungen und deren Auswirkungen auf Investoren

Prof. Dr. Michael Trübestein FRICS, Hochschule Luzern

2022

Der Schweizer Immobilienmarkt war in den letzten Jahren durch positive Rahmenbedingungen und ein konstantes Wachstum geprägt – es entwickelte sich eine hohe Nachfrage nach Immobilien. Derzeit werden Immobilienmärkte durch globale Trends und gesellschaftliche Veränderungen beeinflusst. Damit einhergehend ändern sich das Verhalten der Marktteilnehmer, die Anforderungen an Immobilien sowie die Nachfrage nach Flächen. Zudem wandeln sich, in der Schweiz und im Ausland, die institutionellen Rahmenbedingungen für Immobilieninvestitionen: Gesetzliche und politische Vorgaben wirken sich auf Investitionen, Nutzungen und Planungen aus. In diesem Spannungsfeld sind die Auswirkungen auf Immobilieninvestoren und die zukünftige Flächennachfrage zu eruieren sowie Risiken kritisch zu diskutieren.

 

Immobilienmarkt Schweiz und Investoren

Die Schweiz wächst und bietet weiterhin ein hohes Potential für die Immobilienwirtschaft: Im Jahr 2040werden hier voraussichtlich über zehn Millionen Einwohner leben. Deshalb ist der Schweizer Immobilienmarkt auf verlässliche Immobilieninvestitionen und berechenbare institutionelle Rahmenbedingungen angewiesen. Naturgemäss existieren dabei zahlreiche Spannungsfelder, die die Investorensicherheit und das Vertrauen beeinflussen. Dabei geht es beispielsweise um Nachhaltigkeit, um innerstädtische Verdichtung, die Bestimmung von Bauzonen, um Abstimmungsprozesse, klare Rechts-und Prozesssicherheiten, unterschiedliche lokale Baurechte, um eine starke Gemeindeautonomie und zahlreiche Partikularinteressen.

 

(Institutionelle)Investoren sind bedeutende Marktteilnehmer am Immobilienmarkt und verfügen übergrosse Immobilienbestände. Gleichwohl sind und werden Investoren zukünftig bei Anlagen in Immobilien mit zahlreichen Herausforderungen und Risiken konfrontiert, die die Attraktivität der Investitionen in Immobilien reduzieren oder diese auch ganz verhindern könnten.Covid-19 hat zu einem Anstieg an Homeoffice und Digitalisierung geführt und damit verbunden auch die Frage aufgeworfen, wie Flächen künftig genutzt werden und welche Flächen nachgefragt werden. Ferner hat die Corona-Pandemie zu einer sinkenden Risikobereitschaft bei Investoren geführt (run to quality). Gleichzeitig besteht ein geringer Leerstand in den Schweizer Metropolen, weshalb die Preise für Flächen dort weiter steigen dürften. Attraktive Standorte werden auch zukünftig präferiert – im Bereich Wohnen und Büro.

 

Für die nächsten Jahre sind weiterhin niedrige Leitzinsen wahrscheinlich, und damit ist eine hohe Attraktivität des Immobilienmarktes gegeben. Es stellt sich aus Sicht der Investoren gleichwohl die Frage, ob künftig noch passende Investitionsobjekte zur Verfügung stehen: Nimmt die Renditekompression weiter zu, sind Investitionen in Immobilien zu einer sehr niedrigen Rendite für Investoren nur noch schwer zu rechtfertigen. Es könnten Substitutionseffekte eintreten und dem Markt finanzielle Ressourcen fehlen. In Anbetracht des langen Lebenszyklus einer Immobilie sind die Risiken und Effekte von möglichen Zinsänderungen gleichwohl zu analysieren – insbesondere auch die Auswirkungen auf die Nachhaltigkeit von Immobilien.

 

Nachhaltigkeit /ESG

Die Bedeutung von Zielen im Bereich «Environmental – Social – Governance» (ESG) für Immobilieninvestitionen nimmt national und international stark zu. Die Klimaziele der Schweiz für die Jahre 2030 und 2050 führen folglich auch zu einer steigenden Bedeutung von Investitionen in nachhaltige Immobilien und zu klaren politischen Vorgaben. In diesem Zusammenhang ist zu eruieren, wie mit nicht-nachhaltigen Gebäuden künftig umgegangen wird und wie beziehungsweise, ob diese saniert werden können. In diesem Zusammenhang werden Kaufentscheidungen institutioneller Investoren künftig stark von Nachhaltigkeitsaspekten geprägt: In den Anlage Reglementen sind diese denn auch zunehmend kodifiziert.

 

Zudem bedeutet ESG bei Wohnungsinvestments auch soziale Nachhaltigkeit in Form von bezahlbaren Mieten. Dies impliziert Handlungsbedarf seitens der Investoren und der Politik, vor allem auch wegen der Bedeutung von Mietwohnungen in der Schweiz: Mit 2,3 Millionen Haushalten in Mietwohnungen (Stand 2019), also 60 Prozent aller Schweizer Haushalte, ist dieses Marktsegment besonders wichtig. Städte und Gemeinden reglementieren weltweit immer mehr den Wohnungsbau und die Mietzinsen. Die Schaffung von preisgünstigem Wohnraum, und damit nicht die zwingend werthaltigste Nutzung der Immobilie, nimmt folglich zu. Die Effekte von Mietdeckeln, Mietreduktionen oder möglichen Enteignungen verändern das Rendite-und Risiko-Profil von Wohnimmobilien – und sie sind bei der Flächenbereitstellungkritisch zu evaluieren.

 

Flexibilität der Nutzungen

Neben dem Kriterium Nachhaltigkeit ist eine hohe Flexibilität bei den Objekten ein zentrales Merkmal für erfolgreiche Investitionen in Immobilien, und damit verbunden die Möglichkeit, auch bei sich ändernden Präferenzen zukünftig eine hohe Attraktivität der Flächen zu gewährleisten. Investoren bauen folglich vermehrt Immobilien mit flexiblen Grundrissen, die effizient genutzt werden können, in der Bauphase aber kostenintensiver sind.

 

Dabei wird der Schweizer Immobilienmarkt von «alten» Gebäuden dominiert: Über 30 Prozent des Schweizer Immobilienbestandes entstammen der Bauperiode vor dem Jahr 1946, weitere 30Prozent der Liegenschaften wurden in der Periode von 1946 bis 1980 erbaut. Lediglich 16 Prozent der Schweizer Gebäude mit Wohnanteil wurden nach 2000 erstellt. Dies bedeutet, dass über 60 Prozent der Gebäude älter als 40 Jahre sind. Allerdings variiert der Gebäudebestand je nach Kanton. So beträgt der Anteil moderner Gebäude beispielsweise im Kanton Basel-Stadt nur vier Prozent des Bestandes.

 

Raumplanung und Rahmenbedingungen

Für Investitionen sind eine verlässliche Raumplanung und zielführende politische Rahmenbedingungen die Basis. Die Revision des Raumplanungsgesetzes (RPG) beschäftigt sich mit der Redimensionierung der Bauzonen sowie dem Ausgleich sogenannter Planungsvorteile. Die Umsetzung erfolgt in zwei Schritten. Die erste Revision (RPG 1) ist bereits seit 2014 in Kraft. Sie verlangt einen haushälterischen Umgang mit der nicht erneuerbaren Ressource Boden. Die zweite Revision (RPG 2) ist noch in Arbeit. Damit soll das Bauen ausserhalb der Bauzonen neu regelt werden. Um Nutzungsreserven zu mobilisieren, sollten vor allem Privatpersonen eine Aktivierungsstrategiebefolgen.

 

Vor dem Hintergrund der geplanten weiteren Stärkung der Interessenabwägungen in der zweiten Etappe der Teilrevision des Raumplanungsgesetzes sind weiterhin komplizierte, langwierige Bewilligungsverfahren zu erwarten, die Immobilienentwickler, das heisst Flächenproduzenten, einschränken. Folglich stellen Vertrauen und Planbarkeit einen zentralen Ansatz für die zukünftige Zusammenarbeit der unterschiedlichen Stakeholder dar.

 

Derzeit wird dort verdichtet, wo es am schwierigsten ist, nämlich dort wo es schon dicht ist. Dabei wird die Vergangenheit linear in die Zukunft projiziert. Eine (aus Sicht der Nachhaltigkeit sinnvolle) Verdichtung steht teilweise im Widerspruch zu den Idealvorstellungen der Nutzer: Die Schweizer Bevölkerung möchte zwar am städtischen Leben teilnehmen, aber im Grünen wohnen – Dichte muss erträglich sein. Nicht höchste bauliche Dichte, sondern höchste Attraktivität ist erwünscht.

 

Die Bauzonen genügen langfristig, aber sie sind oft am falschen Ort. Innenstädtisch kann sogar das Überdecken von Infrastrukturflächen wirtschaftlich sein. Die Richtpläne sollten dahingehend überdacht werden und regional statt kantonal abgeglichen werden: Gut miteinander verbundene Fussgängerstädte von unterschiedlicher Zentralität bieten grüne, individualisierbare Dichte.

 

Handlungsempfehlungen und Lösungsansätze

Lösungen für die zahlreichen Probleme können durch eine Intensivierung eines konstruktiven Dialogs sowie durch ein kooperatives Verhalten als Garant für ein nachhaltiges, erfolgreiches und durch Planungssicherheit geprägtes Gesamtwerk gefunden werden. In diesem Zusammenhang könnten Lösungsansätze unter anderem in folgenden Bereichen liegen:

-       Innenverdichtung verstärkt ermöglichen und die Immobilienwirtschaft bei Projektentwicklungen im Innenbereich unterstützen – hierbei sind Akzeptanz, Denkmalschutz und Kostenabzuwägen.

-       Klare zeitliche Vorgaben kodifizieren und damit Planungssicherheit für Investoren und Bauherren ermöglichen. Das Recht der Einsprache darf nicht abgeschafft werden, allerdings sind die Verfahren zu beschleunigen.

-       Einheitliche Siedlungsentwicklung und besser abgestimmte Infrastrukturmassnahmen (beispielsweise Erstellung von Strassen, Ausbau des Nahverkehrs, Planung und Gestaltungöffentlicher Räume), das heisst «schlechte Räume» optimieren und «intakte Räume» fördern.

-       Verfügbarkeit von Bauland verbessern und der Immobilienwirtschaft zugänglich machen.

-       Flexibilisierung der Ausnützungsziffer: hohe Ausnutzungsziffern bei erhöhter städtebaulicher, baulicher und architektonischer Qualität ermöglichen.

-       Anreiz zur Verdichtung über Mehrwertausgleich schaffen – ein Mehrwert muss für die Bevölkerung vor Ort entstehen (nachhaltiger Mehrwertausgleich).

Die Massnahmen sollten in Planungssicherheit resultieren und damit in einem verlässlichen Erstellen von Flächen und der Deckung der Nachfrage der wachsenden Bevölkerung.

Schlussfolgerung

Gesellschaftliche Veränderungen resultieren in einer veränderten Flächennachfrage und haben folglich Auswirkungen auf Investitionen in Immobilien. Eine wachsende Bevölkerung in der Schweiz und weiterhin positive makroökonomische Aussichten sorgen für weitere Nachfrage nach Immobilieninvestitionen und insbesondere Wohnraum.

Gleichzeitig ist der Umgang mit Nachhaltigkeit, Flexibilität der Grundrisse, politischen Interessen und der Ressource Boden wichtiger geworden und ist bei Projektentwicklungen, aber auch bei Bestandsimmobilien, zu berücksichtigen.

Damit diese Zieleweiterhin zielführend umgesetzt werden können, ist ein konstruktiver Dialog der Marktteilnehmer wichtig sowie ein hohes Vertrauen der Marktteilnehmer in das institutionelle Rahmengerüst – hier besteht konkreter Handlungsbedarf.

 

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