Hausmagazin
Jetzt aber mal konkret! Wie viel Stadt verträgt das Dorf Muri?
Milly Stöckli, Vizeammann Muri, Grossrätin SVP
2017
Die Auseinandersetzung um die Zukunft einer Gemeinde findet jeden Tag statt. Wer wüsste das nicht besser als eine Gemeinderätin, die – wie man so schön sagt – ihr Ohr am Volk hat. Dort hört sie nicht Theorien und Philosophien über die Frage wie viel Stadt ein Dorf vertrage, sondern wird mit handfesten Problemen und konkreten Ängsten konfrontiert. Und die Antworten sind nicht immer einfach.
Ich mit meinem Mann an einem Geburtstagsfest. Der Magen ist mit feinem Essen gefüllt, und man gönnt sich noch den letzten Schluck Wein. Die Stimmung ist friedlich und äusserst gemütlich. Ich fühle mich rundum wohl.
«Du Milly, wann beginnen eigentlich die Bauarbeiten beim Luwa Areal, und wird das wirklich so gross? Und, ach ja, dauert die Anpassung der Strassenführung dann lange?» Das fragt mich mein Gegenüber.
«Ja und, Milly, ich wollte mal nachfragen, wie ist nun der Schulweg gesichert, wenn die dort mit Bauen beginnen? Und die Strassenführung finde ich überhaupt nicht toll», bemerkt jemand am Tisch.
Schon will ich zur Beantwortung der Fragen ansetzen, da töntes von der anderen Seite: «Aber Milly, was hat sich der Gemeinderat denn blossüberlegt, als er das Baugesuch Römerareal bewilligt hat? Wenn das fertig gebaut ist, dann ist das Muri-Dorf nicht mehr wieder zu erkennen. Und die Ausfahrtdort ist überhaupt nicht geregelt. Schade, schade!»
Der Abend ist futsch
Die gute Stimmung ist im Keller. Ich weiss, nun kommt eine emotionale und etwas übereifrige Diskussion auf mich zu. Ich muss erklären, warum, wieso und überhaupt. Der Wein, der bis jetzt für eine lockere Stimmung gesorgt hat, bewirkt nun eher das Gegenteil. Der schöne und gemütliche Abendendet mit einer regen Diskussion darüber, ob Muri all die Bautätigkeit überhaupt verträgt. Ob Muri zur Stadt verkomme. Als ob das etwas Schlimmes wäre! Und ob Muri in 20 Jahren nicht mehr attraktiv sei. Alles schon X malgehört und durchdiskutiert. Nicht, dass ich mich der Diskussion nicht stellen möchte, aber ich finde: nicht an einem so gemütlichen Abend. Der ist jetzt nämlich futsch.
Veränderungen machen Angst
Die geschilderte Szene zeigt aber auch, dass sich die Einwohner von Muri viele Gedanken machen. Mir ist bewusst, dass sich Muri in den nächsten Jahren extrem verändern wird. Alte Gebäude und Häuserverschwinden, Strassen werden ausgebaut, markante Strassenzüge werden verändert und der neuen Verkehrssituation angepasst. Muri wird nicht mehr so sein, wie es vor 20 Jahren einmal war. Das verunsichert und schürt Ängste. Der Gemeinderat hat natürlich gegenüber den Einwohnern von Muri immer einen Informationsvorsprung. Daher ist es nur verständlich, dass immer wieder Fragengestellt werden. Das ist mir bewusst, und deshalb versuche ich auch, die Ängste ernst zu nehmen.
Manchmal habe ich ja auch Bedenken, ob Muri das wirklich alles verträgt, was für die nächsten Jahre geplant ist. Ob Muri den Verkehr schlucken kann, oder ob es zu noch grösseren Staus während der Stosszeitenkommt.
Im Interesse der Gemeindehandeln
Der Gemeinderat möchte – in Zusammenarbeit mit dem Kanton –nur das realisieren, was der Gemeinde nützt und sie weiterbringt. Dies ist und bleibt eine grosse Herausforderung. Diese gilt es anzupacken, denn Probleme sind da, um sie zu lösen. Nur das Schlechte sehen, wenn sich eine Ortschaft schneller als gewohnt entwickelt, ist kein guter Ratgeber. Damit bin ich wieder bei der Diskussion an der geschilderten Geburtstagsfeier. Auch hier habe ich, wie bei anderen Gelegenheiten, versucht, möglichst alle Punkte und Fragen zu erklären und zu beantworten. Manchmal gelingt mir das ganz gut. Manchmal habe ich aber nicht zu allem und jedem eine Antwort. Das ist nicht weiter schlimm, denn ich verweise die Fragesteller dann an die zuständige Stelle.
Nützliche Diskussionen
Solche Diskussionen sind aber auch deshalb nützlich, weil sie nicht selten nützliche Anregungen und Inputs liefern, wie man eine Sache auch etwas anders anpacken könnte. Schon oft kam es vor, dass ich mich zu Beginn der Diskussion nervte, um dann später festzustellen: «Die haben mir ja den Abend gar nicht verdorben, im Gegenteil.» Zu Hause angekommen, wurde mir bewusst, dass die Einwohner von Muri sich Gedanken machen über ihre Gemeinde und sich einbringen. Das ist gut. Mir sind die Menschen lieber, die etwas sagen, als diejenigen, die die Faust im Sack machen. Denn die Weiterentwicklung eines Dorfes kann man nicht aufhalten, man kann sie höchstens steuern. Und das sollte man auf jeden Fall tun
Quinto, Muri - Die Stadt im Dorf
Was wird auf dem ehemaligen so genannten Luwa-Areal in Muri gebaut? Gigantische Hochhäuser? Das grösste Spiel-Casino der Schweiz? Eine Strafanstalt? Ein Windpark oder ein Golfplatz? Und wer ist der Investor? Ein Ölscheich? Die wildesten Spekulationen machten in den letzten Jahren im Dorf die Runde. Seit diesem Frühling ist aber alles klar und es wird bereits gebaut: Auf dem Gelände der ehemaligen Lüftungssysteme- und Apparatefabrik Luwa, auf einer Fläche von 21‘000 Quadratmetern, entsteht in der Nähe des Bahnhofes ein neues Dorfzentrum mit rund 200 Wohnungen sowie Büros, Ateliers und Gewerbebetrieben. Und der Investor ist kein dubioser Ölscheich, sondern die Allianz-Versicherung.
Auf dem Areal soll allerdings keine «gewöhnliche» Überbauung mit Wohnungen und Geschäftsflächen entstehen. Das von «feldmann projekte» entwickelte Projekt will mehr sein: Das neue Zentrum ist ein neuer, urbangeprägter Dorf Teil von Muri. Dazu beitragen soll insbesondere das Herzstück des Areals: die Halle 5 – eine alte Fabrikhalle, in der ein Restaurant mit Aussenbestuhlung und Begrünung geplant ist. Sie bleibt als Zeitzeuge aus der industriell geprägten Vergangenheit von Muri stehen. Die Marke «QUINTO» hat ihren Ursprung nebst der Halle 5 auch in der Anzahl künftiger Gebäudekörper auf dem Areal: zwei Körper entlang der Bahnlinie, Halle 5, Kopfbau an Halle 5 und das Gebäude entlang der Luzernerstrasse..
Eine Halle, wo auch Raum für Kunst und Kultur entsteht: Kleinere Events, moderate Konzerte, Kleintheateraufführungen oder Ausstellungen. Die Gastronomie orientiert sich hier an der Frische und dem Slow, also nicht an Fast- und Junkfood. Auch könnte ein Wochenmarkt mit Produkten aus der Region auf dem Areal angesiedelt werden. Die Nutzung der Büro-/ Gewerbe- und Verkaufsflächensoll dem Gesamtkonzept entsprechen: Ateliers, kleine Handwerksbetriebe, Startup-Betriebe, kleine exklusive Läden, diverse Dienstleistungsangebote.
Das Projekt in Muri wird nach neuestem Minergie Standard erstellt und verfügt zur Eigenstromerzeugung über eine Photovoltaik-Anlage. Die Wärmeerzeugung erfolgt durch Holzschnitzel und eine Wärmepumpe, die mit Solarstrom betrieben wird. Und den künftigen Mieterinnen und Mietern werden rund800 Veloplätze zur Verfügung stehen – nebst Parkplätzen. Ein Bauprojekt dieser Grösse hat freilich Auswirkungen auf die Umgebung, insbesondere auf die Verkehrsplanung: So sind auch zusätzliche Ein- und Ausfahrten von der Industriestrasse in die Kantonsstrasse geplant.