Hausmagazin

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Exkurs Entscheidungsprozess beim Hauskauf – Klare Rollenteilung

Fredy Hasenmaile, CREDIT SUISSE AG IS&P Head Real Estate Economics, WJVR

2018

Der Erwerb von Wohneigentum gehört zu den wichtigsten Entscheiden eines Haushalts. Üblicherweise gehorcht der Entscheidungsprozess einer klaren Abfolge von Schritten: vom Erkennen des Bedürfnisses über die Objektsuche und die Evaluation von Alternativen bis zum finalen Kaufentscheid. Die Theorievernachlässigt in der Regel, dass ein Haushalt aus individuellen Familienmitgliedern mit unterschiedlichen Rollen und Präferenzen besteht. Um mehr über diesen Entscheidungsprozess zu erfahren, hat die Credit Suisse sowohl bei Immobilienmaklern als auch bei den Finanzierungsspezialisten der Bank nachgefragt und den ganzen Prozess von der ersten Besichtigung bis hin zur Finanzierung betrachtet.

Zusammen kaufen, aber individuelle Bedürfnisse

Unsere Umfrage bei Maklern wie Finanzierungsspezialisten hat ergeben, dass Wohneigentum zumeist gemeinsam gekauft und bewohnt wird. Beinahe drei Viertel aller Käufer sind Paarhaushalte mit oder ohne Kinder. Dies bestätigen auch Daten über Wohneigentümer des Bundesamts für Statistik. Interessant ist allerdings, dass alleinstehende Männer etwas häufiger Eigentum erwerben als Frauen. Aber auch bei Paaren zeigen sich Unterschiede zwischen den Geschlechtern. 97% (!) der von uns befragten Immobilienmakler bestätigen geschlechterspezifische Unterschiede beim Erwerb von Wohneigentum. Auch die Finanzierungsspezialisten sehen klare Unterschiede. Mit einer Zustimmungsrate von 67% fällt diese aber tiefer aus. Ein gleiches Bildzeichnen internationale Studien. 1 So äussert bei jüngeren Familien mit Kindern häufig die Frau den Wunsch nach Eigentum. Die Gründe hierfür liegen in den grösseren Platzansprüchen, der innerfamiliären Rollenteilung sowie der finanziellen Sicherheit, die das eigene Heim bietet. Sind dagegen keine Kinder vorhanden, wird der Prozess von beiden gleichermassen angestossen. Männer sind dagegen vor allem in einer späteren Lebensphase Treiber für den Wunsch nach Eigentum.

Frauen aktiver bei der Objektsuche

Bei der Suche nach dem Wunschobjekt nehmen gerne die Frauen das Zepter in die Hand. Unsere Umfrage zeigt, dass in 53%der Fälle die Frau den Erstkontakt mit dem Makler herstellt (vgl.Abb. 1). Der Mann ist dagegen nur für 41% der Erstkontakteverantwortlich. Die dominierende Rolle der Frau manifestiert sich auch bei der Erstbesichtigung. Bei dieser ist insbesondere von Interesse, was geschieht, wenn nur einer der beiden Partner an der Erstbesichtigung mit dabei gewesen ist. War dies der Mann, kommt es häufiger vor, dass es nicht zu einer Transaktion kommt. Selbst wenn ihm das Objekt gefallen hat. Die Präferenzen der Frau in Bezug auf das sich im Fokus befindliche Objekt haben also mehr Gewicht als diejenigen des Mannes. Das mag unteranderem daher rühren, dass funktionale Aspekte eine grössere Rolle für den Partner spielen, der hauptsächlich die Kinder betreut. Dies ist typischerweise noch immer die Frau.

Küche, Nachbarn und Kinderfreundlichkeit sind die wichtigsten Kriterien für sie

Was ist für Frauen und Männer bei der Wahl eines Objektes überhaupt wichtig? Unsere Umfrage bestätigt die gängigen Klischees, wonach sich der Mann für die Technik und den Garagenplatz interessiert, die Frau dagegen für die Küche und das Bad. Interessant ist, wie deutlich diese Muster zutage treten (vgl.Abb. 3). Für sie stehen aber nicht nur eigentliche Objektkriterien im Vordergrund. Anhand der Themenbereiche Nachbarn/soziales Umfeld, Kinderfreundlichkeit des Objektes und Mikrolage, also insbesondere auch wie gut Kindergarten oder Schule erreichbar sind, zeigt sich, dass das Umfeld und die Lage der Wohnung bei Frauen eine wichtigere Rolle spielen. Bedeutsam ist ebenfalls, ob ein Objekt emotional anspricht. Gefällt Frauen ein Objekt anfänglich nicht, ist es zumeist gleich aus dem Rennen.

Finanzielles, Parkplätze und Technik wichtig für ihn

Ganz anders ist das Bild bei den Männern. Hier stehen zumeist finanzielle Aspekte in Bezug auf das Objekt im Vordergrund (vgl.Abb. 3). In erster Linie geht es um den Preis des Wohnobjektes und den möglichen Verhandlungsspielraum. Geht es um das eigentliche Objekt, ist vielen Männern neben dem Thema Parkplatz/Garage die Technik wichtig. Hierbei geht es von Heizungen bis hin zu Elektroanschlüssen und Internetanbindungen. Männer hinterfragen auch eher die Bauqualität/Bausubstanz und bei Bestandsliegenschaften den Sanierungsbedarf. Im Gegensatz zu Frauen haben Objekteigenschaften dagegen einen tieferen Stellenwert. Und die Themen Kinder/Nachbarschaft werden von Männern nur selten angeschnitten.

Frauen entscheiden letztlich über die Wahl des Wohnobjekts

Die grossen Unterschiede in Bezug auf die Bedeutung der verschiedenen Themenbereiche führen dazu, dass sich Paare sehr gut gegenseitig ergänzen und gemeinsam die relevanten Aspekte abdecken. Aufgrund der klaren Rollenverteilung zwischen den Geschlechtern erstaunt es letztlich nicht, dass mehrheitlich die Frau massgebend ist beim Entscheid für oder gegen ein Wohnobjekt (vgl. Abb. 1). Unsere Befragung bei den Maklern hat ergeben, dass Frauen in 56% der Fälle für diesen Entscheid verantwortlich sind, Männer hingegen nur in 23% der Fälle.

Männer übernehmen die Preisverhandlungen

Vertauschte Rollen zeigen sich dann aber, wenn es um die Preisverhandlungen für das gewünschte Objekt geht. In beinahe zwei Dritteln der Fälle zeichnet hierfür der Mann verantwortlich. Frauenübernehmen nur in 20% der Fälle die Führung in den Preisverhandlungen. Damit lässt sich auch hier eine klassische Rollenverteilung zwischen den Geschlechtern erkennen.

Männer treten mit der Bank in Kontakt

Mit der Auswahl des Wunschobjektes ist der Prozess des Eigentumserwerbs aber noch nicht abgeschlossen. Zuletzt muss noch die Finanzierung sichergestellt werden. Dies stellt spezifisch in der Schweiz mit ihren hohen Immobilienpreisen und strikten Finanzierungsrichtlinien viele Haushalte vor grosse, teilweise sogar unüberwindbare Hürden. Bereits beim Erstkontakt mit der Banktritt eine umgekehrte Rollenverteilung im Vergleich zur Objektsuche zu Tage. In 52% der Fälle erfolgt der Erstkontakt mit der Bankdurch den Mann (vgl. Abb. 2). Frauen stellen nur in 37% der Fälle den ersten Kontakt her. Bei Finanzierungsfragen wie der Wahl des Hypothekarproduktes, gewünschten Laufzeiten oder Art der Amortisation, ist der Mann in 41% der Fälle in der Führungsrolle, die Frau nur in 28%. Damit bestätigt sich, was schon bei der Auswahl des Objektes zu beobachten war: Sobald es um finanzielle Aspekte geht, ist häufiger der Mann im Lead.

Frauen geht es bei der Finanzierung um Sicherheit

Aspekte, die Frauen im Kontakt mit den Finanzierungsexperten wichtig sind, kreisen vor allem um das Thema der finanziellen Sicherheit (vgl. Abb. 4). Die Tragbarkeit und insbesondere Unsicherheiten in Bezug auf die Tragbarkeit sind für Frauen ebenfalls wichtige Gesprächsinhalte. Hierzu gehören beispielsweise Fragen, ob und in welcher Form Teilzeitarbeit nach der Geburt eines Kindes, mögliche Arbeitslosigkeit oder die Pensionierung Einfluss auf die Tragbarkeit der Liegenschaft haben werden. Die hohe Bedeutung des Sicherheitsgedankens widerspiegelt sich auch darin, dass das Thema Amortisationen häufiger von Frauen angeschnitten wird. Aufschlussreich ist, dass beim Finanzierungsexperten oft nochmals der Themenkreis Lage/Infrastruktur angesprochen wird. Frauen holen also auch eher die Expertise des Finanzierungsspezialisten in Bezug auf das eigentliche Objekt ein.

Männer wollen Finanzierung optimieren

Für Männer ist dagegen beim Finanzierungsexperten in erster Linie wichtig, welchen Hypothekarzins sie erhalten und welche Kosten die Hypothek schlussendlich verursacht. Sie setzen sich eingehender mit dem Thema Hypothekarprodukte und deren Laufzeiten auseinander. Zudem spielt bei Männern der Objektpreis eine wichtige Rolle. Hier dürfte hineinspielen, dass Männer den Erwerb von Wohneigentum stärker als Investment ansehen und entsprechend von einem Finanzierungsexperten wissen wollen, ob der Preis für das gewählte Objekt gerechtfertigt ist. In diesem Zusammenhang kommt oft die Wiederverkäuflichkeit zur Sprache. In jüngster Zeit, in der Objekte teuer erstanden werden müssen, dürfte die Verifizierung des Preises sicherlich auch darauf abzielen, allfällig vorhandenen Spielraum für Preisverhandlungen mit dem Verkäufer auszuloten.

Frauen entscheiden am Schluss

Beim Entscheid über die Finanzierung und damit letztlich über das Kaufobjekt wird in 36% der Fälle gemeinsam entschieden(vgl. Abb. 2). Wird die Entscheidung nicht paritätisch getroffen, ist gemäss Finanzierungsexperten häufiger die Frau für die finale Entscheidung verantwortlich (35% der Fälle), Männer nur in 24%der Fälle. Damit bestätigt sich das in Bezug auf die Wahl des Eigenheims gewonnene Bild, dass Frauen häufiger das entscheidende Wort haben. Sind keine Kinder vorhanden, relativieren sich gemäss Literatur die Unterschiede. Ein Teil der geschlechtsspezifischen Unterschiede ist somit durch die unterschiedliche Rollenteilung zu erklären.

Gemeinsam stärker als alleine

Unsere Befragungen bestätigen die Resultate von internationalen Forschungsarbeiten, wonach sich im Entscheidungsprozess für den Erwerb von Wohneigentum klare Verantwortlichkeiten für die einzelnen Prozessschritte zwischen den Geschlechtern herausbilden. Ein Blick auf die unterschiedlichen Frageschwerpunktebringt aber auch sehr schön zutage, wie gut sich die beiden Sichtweisen ergänzen und wie gemeinsam alle relevanten Aspekte in Bezug auf den Kauf von Wohneigentum abgedeckt werden. Paare unterstützen sich also gegenseitig optimal und stellen sicher, dass nichts vergessen geht.

Geschlechterunterschiede bei Verhandlungen nutzen

Verkäufer und Makler können versuchen, die Unterschiede im Entscheidungsverhalten strategisch zu nutzen. Um ein Objekt zu verkaufen, müssen sie in erster Linie die Frau überzeugen. Hierzu ist es entscheidend, die für die Frau wichtigen Themenbereiche bewusst anzuschneiden und Informationen bereitzustellen. Dessen sollten sich auch potenzielle Käufer bewusst sein. Dies ist insbesondere für allfällige Preisverhandlungen entscheidend. Hat die Frau bereits kundgetan, wie gerne sie ein Objekt haben möchte, dürfte der Mann kaum noch Spielraum bei den Preisverhandlungen haben. Daher gilt aus Sicht von potenziellen Käufern: die Karten nicht gleich auf den Tisch legen, sondern geschickt agieren, um bei allfälligen Preisverhandlungen die Handlungsfähigkeit zu bewahren.

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