Hausmagazin
«Um drei Uhr nachmittags lagen die Nerven blank»
INTERVIEW Vera Bueller
mit Peter Bertholet & Marianne Mienert 2018
Peter Bertholet und Marianne Mienert können einiges erzählen, wenn man sie fragt, welche Ansprüche Männer und Frauen an ihre neue Wohnung stellen. Seit vielen Jahren beraten sie die Kunden und Kundinnen von feldmann projekte beim Immobilienerwerb. So manches Klischee bestätigen die beiden, aber manches ist auch ganz anders…
«Wenn der Mann kocht, dann muss das auf einer Kochinsel passieren, wo man ihm zuschauen kann. Er will Showkochen veranstalten», erzählt Marianne Mienert lachend. Sie ist Kundenbetreuerin und Bauadministratorin bei feldmann projekte. Für seine Show muss die Insel zudem über ein Teppanyaki, einen Wok und einen Grill verfügen. «Das Koch-Ergebnis ist dann eine riesige Schweinerei, die später die Frau wegräumen muss.» Sie, die Frau, gibt sich mit einem so genannten Rüstwürfel zufrieden –beim Kochen und Abwaschen braucht sie keinen Applaus. «Die Küche ist für die Frau weniger Show- als vielmehr Rückzugsort.» Dort will sie es möglichst bequem und funktional haben: um den Teig auszurollen, das Gemüse zu rüsten, den Mise en Place zu machen. Sie verlange möglichst grosse Abstellflächen und Stauraum – und immer ein Fenster zum Lüften, weiss Marianne Mienert. Dabei sei ihr eine vielseitige Nutzungsmöglichkeit der Küche oft wichtiger als der Ausbaustandard mit luxuriös-technischem Schnick-Schnack. Marianne Mienert und ihr Kollege Peter Bertholet, Leiter Beratung und Verkauf bei feldmann projekte, wissen aus Erfahrung, dass gross angelegte offenen Küchen zum zentralen Ort in einem Haushalt werden. Hier isst und diskutiert die Familie, am Esstisch arbeitet, lernt, spielt man – fast so wie vor hundert Jahren, als sich das Familienleben auch schon hauptsächlich in der Küche abspielte. Das änderte sich erst nach dem Zweiten Weltkrieg mit der Entwicklung der «Frankfurter Küche» (siehe Seite 16 | 17).In den Ansprüchen an die Küchengestaltung würden sich die Bedürfnisse von Mann und Frau wohl am stärksten unterscheiden, meint Peter Bertholet. Das zeige sich bereits bei der Planung. Beispielsweise dann, wenn ein Architekt am Reissbrett einen Grundriss entwirft, der nicht praxistauglich ist. «Ich habe auch schon einen Architekten gefragt, ob er selber schon mal in einer Küche gekocht habe. Er hatte eine Küche mit einer schrägen Decke geplant, in der man nicht normal stehen konnte.»
Die Finanzen entscheiden
Wenn Bertholet über das Thema Mann und Frau beim Immobilienerwerb nachdenkt, kommt er zum Schluss, dass die Unterschiede gar nicht so gross sind. «Entscheidender sind die Finanzen.» Bereits bei der Frage, ob Eigentumswohnung oder Haus. Dann natürlich bei der Innenausstattung von Küche und Bad, bei der Wahl von Materialien, Bodenbelägen und Kacheln. Zwar sei es meistens die Frau, die im Vorfeld einer Beratung die Dokumentation bestelle und den Kontakt mit ihm, dem Verkäufer, herstelle und Zusatzinformationen einhole. Aber wenn es ums Finanzielle geht, trete auch der Mann in Erscheinung. Der sei allerdings nicht immer der Kostenbremser: «Wir hatten in Meisterschwanden ein Objekt mit riesigen Fensterscheiben. Der Mann fand das totalcool, die Frau hat nur nüchtern bemerkt, ‹Wie putze ich das?›. Sie bevorzugte ein dreiteiliges Fenster, bequem zum Öffnen und Putzen. Ihr Ehemann meinte, das sei schade, weil so die Front durch mehrere Rahmen durchbrochen werde», erinnert sich Peter Bertholet. Oder wenn der Mann eine Sauna wolle und die Frau zu Bedenken gebe: «Wie oft im Jahr gehen wir in eine Sauna? Drei Mal vielleicht.» Für Bertholet eine Bestätigung, wie pragmatisch Frauen seien.
Zwar ist es meistens die Frau, die im Vorfeldeiner Beratung die Dokumentation bestelle und den Kontakt mit ihm, dem Verkäufer, herstelle und Zusatzinformationeneinhole. Aber wenn es ums Finanzielle geht, trete auch der Mann in Erscheinung.
Weniger zu reden gibt die Ausgestaltung des Bades. «Die Kunden wollen lieber eine grosse Stube als ein grosses Bad. Das liegt vielleicht auch daran, dass die Bewertungstools der Banken die Grösse eines Badezimmers nicht berücksichtigen, jene einer Stube hingegen schon», erklärt Peter Bertholet. Was Frauen aber unbedingt haben möchten, ist ein Ankleideraum oder zumindest einen begehbaren Schrank! Und einen direkten Zugang vom Schlafzimmer zum Bad, das zudem ein Fenster haben muss.
«Mach doch was Du willst»
Die Auswahl von Küchen, Bädern und Böden scheint beim Ausbau einer Wohnung etwas vom Schwierigsten zu sein. Der Wohnungsverkäufer oder Innerarchitekt besucht mit den Bauherren Ausstellungen, wo sie sich für ein Produkt entscheiden müssen –das reicht von der Oberfläche der Küchenfront und -arbeitsplatte, über die Schränkchen-Türgriffe, die Armaturen und die Kacheln m Bad, hin zu den Bodenbelägen. Und das sei alles andere als einfach, weiss Peter Bertholet. «Da spürt man dann auch die Emotionen, die im Spiel sind. Unlängst war ich mit einem älteren Paar unterwegs. Es hatte nur einen Tag Zeit, um alles auszusuchen. Um drei Uhr nachmittags lagen die Nerven blank.» Diebeiden hätten sich nur mehr angeschnauzt, bis der Ehemann zu seiner Frau sagte: «Mach doch, was Du willst». Für Marianne Mienert ist klar, dass ohnehin die Frau bestimmt, wenn es um die Innenausstattung geht; bei technischen Fragen ist es der Mann. Neuerdings wollten die Männer beispielsweise alle einen Ladeanschluss in der Garage – auch wenn sie gar kein Elektroauto fahren. Auch schwärmten sie für Minergie und Schwedenöfen, was wiederum die Frau wegen des Holzschleppens, des Putzens von Filtern der Abluftanlagen, schlecht gelüfteter Räume und der Angst vor Schimmelbildung an den Wänden abschrecken würden. Für sie seien privat nutzbare Aussenräume viel wichtiger. Dazu gehörten Balkone, Gärten, Gartensitzplätze, traditionell gestaltete Kinderspielplätze mit Sandkasten, Schaukel, Rutschbahn. «Architektonische Würfe sind nicht gefragt.» Aussenräume gehörten einfache zur Lebensqualität. «Stimmt», pflichtet Peter Bertholet bei. «Bei den Frauen geht es dabei um Erholung, Besinnung, Psychohygiene, den Bezug zur Natur und die Möglichkeit für körperliche Aktivität – etwa beim Anpflanzen von Blumen oder Gemüse. Die Männer sorgen sich hingegen um den Unterhalt. Konkret: Wer muss den Rasen mähen?»
Ein gesellschaftlicher Wandel
Worin sich die beiden Experten von feldmann projekte einig sind: Heute ist Frau nicht mehr gleich Hausfrau, Haushalt nicht unbedingt Familie, Wohnen mehr als Erholung und Wohnungen werden vielfältig genutzt. Entsprechend geändert haben sich die Wohn-Bedürfnisse im Laufe der letzten Jahrzehnte. «Ich stelle heute fest, dass die Unterschiede zwischen Mann und Frau beim Immobilienerwerb in den letzten Jahren kleiner geworden sind. Das zeigt sich zum Beispiel beim Kochen: Frauen und Männerkochen immer häufiger gemeinsam, oder sie wechseln sich beim Kochen ab. Diesen Wandel spüre ich deutlich, wenn ich mit Kunden eine Wohnung besichtige oder mit ihnen in der Ausstellung eines Küchenbauers bin. Das ist doch erfreulich», bringt es Marianne Mienert auf den Punkt.