Hausmagazin

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Umgang mit bestehender Bausubstanz – Chancen und Risiken

PATRIK MOCCETTI

2019

Der Lebenszyklus jeder Liegenschaft wird von zahlreichen Faktoren dynamisch beeinflusst. Dazu zählen unter anderen die Strategie des Eigentümers, die Standortattraktivität, die Dauerhaftigkeit der Bausubstanz, mögliche Baufehler sowie die Konjunktur und die Politik. Dazu kommen dann die Wünsche von Investoren und Nutzern: Schnell veränderbar und doch solid, nachhaltig, aber flexibel, ideales Raumklima und moderne haustechnische Systeme mit tiefen Unterhaltskosten – das Ganze zudem umweltverträglich –, beste Wirtschaftlichkeit und hohe Qualität, so soll ein Neu- oder Umbau sein. Diese Dynamik steht in Kontrast zur Trägheit eines Gebäudes.

Seit knapp 20 Jahren ist in der Schweiz ein Paradigmenwechsel in der Immobilienbranche erkennbar: Private Eigentümer, Unternehmen sowie die öffentliche Hand wollen ihre Immobilien aktiver und professioneller betreut haben. Ausserhalb grosser Unternehmen findet allerdings die Projektentwicklung in der Schweiz auch heute noch hauptsächlich nach dem Prinzip «learning by doing» statt. Dies kann viel Lehrgeld kosten, denn eine Projektentwicklung ist ein komplexer Vorgang. Typische Projektphasen sind Angebot, Triage, Projektdefinition, Projektoptimierung, Bewilligungsverfahren, Planung, Realisierung. Entscheidend für das Gelingen ist es, ob die vielfältigen Risiken, vor allem die Kostenrisiken, unter Kontrolle sind. Je weiter ein Projekt fortgeschritten ist, desto weniger Einfluss hat man auf die Kostenentwicklung. Daher ist es wichtig, in einem möglichst frühen Stadium des Projekts eine fundierte Entscheidung mittels einer Machbarkeitsanalyse bei Neubauten – hier stellt sich immer die Frage: «Kann ich verdichten?» – und einer sogenannten «Due Diligence» (Bestandes-Substanzanalyse) bei Bestandes Immobilien zu treffen. In diesem frühen Stadium sind naturgemäss auch die grössten Unsicherheiten vorhanden. Aus diesem Grund wird laufend versucht, in Projektentwicklungsphasen – und genau da ist das Baumanagement wichtig – Entscheidungsgrundlagen zu produzieren, die das weitere Vorgehen bestimmen.

Chancen und Risiko

Ein Eigentümer oder Kaufinteressent will die Chancen und Risiken einer bestehenden Immobilie kennen, um Handlungsalternativen daraus ableiten zu können. Durch einen «Due Diligence»-Prozess können der effektive Wert der Bausubstanz ermittelt und auch die Chancen und Risiken erkannt werden. Chancen- und Risikoanalysen sind ein wichtiger Bestandteil einer Bewertung. Sie ermöglichen es, einen Überblick über alle Aspekte zu erhalten, die das Objekt betreffen. Bei feldmann projekte teilen wir diese in sechs Hauptgattungen ein: rechtliche Risiken (juristische Aspekte und Beschaffung), terminliche, finanzielle, technische, Management- und Umfeld-Risiken. Jedes dieser sechs Risikobereiche verfügt über sechs Unterbereiche. Es sind also insgesamt 36 Kriterien, die analysiert werden – bei Spezialfällen können es auch mehr sein.

Einflussfaktoren

Die schnell wechselnden Gesetze, Normen, aber auch neue Technologien stehen in Kontrast zur Trägheit der Baubranche. Dazu kommen die neuen Anforderungen hinsichtlich des Energieverbrauchs sowie Trends in der Raumentwicklung, die statt Verstädterung und Zersiedlung die Stadtverdichtung propagieren. Seit der Kulturland-Initiative 2012/13 definiert die «Innere Verdichtung» die Anforderungen an alle neuen Investitionen. Viele Eigentümer und Investoren stehen vor der Frage, wie es angesichts der neuen gesellschaftlichen Ansprüche um die Zukunft ihrer Liegenschaften bestellt ist. Ökonomische Einflüsse, stetiger Wandel von Technologien, Bedürfnissen und Umwelt, der nagende Zahn der Zeit, der die Immobilien altern lässt, verlangen von Projektentwicklern, laufend ihr Umfeld und ihre Positionierung zu überdenken, um konkurrenz- und marktfähig zu bleiben. Umso mehr ist es notwendig geworden, die Ausrichtung aller strategischen Ziele auf die Marktveränderungen- und Anforderungen mittels Markt- und Standort-Analysen laufend zu überprüfen und nach Bedarf neu auszurichten.

Lebenszyklus und Erneuerungsprozess

Eine Baute unterliegt wie alle materiellen Güter einem Alterungsprozess. Zusätzlich ändert sich auch ihre Gebrauchstauglichkeit hinsichtlich des Nutzungskonzepts, der Funktion und des Standards in Zusammenhang mit dem technischen und gesellschaftlichen Fortschritt. Der Lebenszyklus der Immobilie kann in mehreren Phasen dargestellt werden. Je nach Immobilie beziehungsweise je nach Entscheid bezüglich des Erhalts der Bausubstanz findet die volle Abbruchphase nie statt. Ein Beispiel davon ist die Denkmalpflege geschützte Immobilie. Hier wird der Zyklus nach der Erstellung nur von einer Sanierung zur nächsten verlaufen. Die Standards der Wohnnutzung wandeln sich im Vergleich zu anderen Nutzungen (zum Beispiel Industrie) oder zur gesamten Infrastruktur erheblich langsamer. Die wichtigsten menschlichen Bedürfnisse im Bereich des Wohnens bleiben über die Jahrzehnte fast gleich. Das ist der Hauptgrund dafür, dass hier die Revitalisierung nicht automatisch parallel zur Abnutzung und Berücksichtigung des Fortschritts erfolgt. Antrieb für die Erneuerungstätigkeit ist die Nachfrageintensität und die Zahlungsbereitschaft. Die Anreize für die Erneuerung sind direkt mit den Kosten sowohl für den Eigentümer wie auch für den Nutzer verbunden. Das Bundesamt für Energie prognostiziert nun neue Entwicklungen: Steigende Energiepreise und Nebenkosten, die für eine Sanierung von Immobilien sprechen würden. Aus Sicht der Eigentümer stehen Abzugsmöglichkeiten der Investitionen von den Steuern und die Überwälzung der Investitionen auf die Miete im Vordergrund. Die Hindernisse liegen heute in der Gesetzgebung, da gemäss Mietrecht maximal 70 Prozent der Investitionen auf die Miete überwälzt werden können. Eine weitere wichtige Voraussetzung für die Erneuerung wäre die bessere Regelung der Abschreibungsmöglichkeiten der Immobilie mit Sanierungsbedarf. Es ist wichtig, zwischen Instandhaltung, Instandsetzung, sowie Sanierung zu unterscheiden. Der konstante Unterhalt der Immobilie spielt die wichtigste Rolle im ganzen Abnutzungsprozess respektive beim Entscheid, ob ein System im Haus sanft saniert oder ganz ersetzt werden soll. Der korrekte Unterhalt sollte die bei der Erstellung der Baute prognostizierte Lebensdauer gewährleisten. In weiterem Sinn stellt sich dann pro Fall die Frage, wie lange eine Immobilie leben darf und wann sowie unter welchen Umständen diese einst durch einen Neubau ersetzt werden soll.

Bestandes Bauten stehen unter Druck

Der Umgang mit bestehender Immobiliensubstanz gibt immer wieder Anlass zu Diskussionen, und das ist auch gut so. Nur Immobilien, die aufgrund ihrer Merkmale in der Lage sind, veränderten Rahmenbedingungen zu bestehen, garantieren eine langfristige Rendite. Speziell der Energieeffizienz wird am Schweizer Immobilienmarkt bis anhin nur wenig Beachtung geschenkt. Deshalb sind Bewertungsinstrumente gefordert, die das Optimierungspotential sicht- und quantifizierbar machen. Die sanierungsbedürftige Immobilie steht unter Druck. Allerdings öffnet der technologische Wandel und der Fortschritt immer neue Türen, die deren Fortbestand ermöglichen würden.

«Due Diligence»

Bei einer «Due Diligence» von Altbausubstanzen ist folgenden Gutachten besondere Aufmerksamkeit zu schenken:

• Markt- und Standort-Analysen, zur Beurteilung der Makro- und Mikrolage.

• Geologisches- und Altlasten-Gutachten. Z.B. bei Verdacht auf Bodenverschmutzung. Schadstoffe- und Bausubstanz-Gutachten.

Z.B. bei Gebäuden bis 1983 (ab 1983 wurde die Normen für PCP, Asbest, usw. eingeführt und laufend verschärft).

• Erdbeben-Gutachten, zur Bestimmung der notwendigen Massnahmen zur Erdbebenertüchtigung der Rohbausubstanz.

• Staatliches Gutachten, bei Altbauten bis 1963. Die ersteIngenieur-Norm kam 1963 heraus.

Davor war es den Ingenieuren überlassen, den Eisenanteil selbst zu bestimmen.

• Wärmebildaufnahmen bei Verdacht auf Wärmebrücken.

• Grundbuchauszug wegen allfälliger Dienstbarkeiten.

• Revisionsunterlagen bez. Plangrundlagen aus der Erstellungszeit sind ebenfalls von grosser Bedeutung.

Denn sie geben allfällig Aufschluss über die Bausubstanz oder Bauweise.

• Bei Sanierungen sind die Rückbaukosten nicht zu vergessen.

Durch einen «Due Diligence»-Prozess können der effektive Wert der Bausubstanz ermittelt und auch die Chancen und Risiken erkannt werden. Chancen und Risikoanalysen sind ein wichtiger Bestandteil einer Bewertung.

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